Krankheiten

Wie jedes Hobby hat auch die Schildkrötenhaltung nicht nur schöne Momente. Trotz Jahrmillionen der Evolution und Anpassung an Ihren Lebensraum sind leider auch unsere Schildkröten nicht unverwundbar und können erkranken. Bei einwandfreier Haltung und regelmäßiger Kontrolle des Gesundheitszustandes der Tiere ist dies, speziell bei europäischen Landschildkröten, glücklicherweise eher die Ausnahme. Jedoch kann es immer wieder zu Zwischenfällen kommen, sei es durch mechanische Einflüsse (Bisse von Artgenossen, anderen Tieren, Verletzungen durch Einrichtungsgegenstände etc.) oder Infektionen (Bakterien, Viren, andere Umweltgifte oder Schadstoffe). 
Im Folgenden möchte ich einige Erfahrungen im Umgang mit Krankheiten der letzten Jahre teilen und zeigen, wie ich in etwaigen Fällen vorgehe/vorgegangen bin bzw. was meiner Meinung nach in solchen Fällen zu tun ist. 
Vorab möchte ich anmerken, dass ich kein Tierarzt bin und sehr sehr wahrscheinlich niemals einer sein werde, ich es jedoch hilfreich finde, die ein oder andere Therapiemethode vorzustellen, um somit zumindest ansatzweise im Falle einer Notsituation agieren zu können, denn leider sind erfahrene Reptilientierärzte rar gesät und auch nicht immer einfach jederzeit verfügbar.
Die folgenden Medikationen sind wie bereits angemerkt keine Empfehlungen, sondern beruhen lediglich auf Erfahrungen meinerseits und wurden natürlich stets unter Absprache mit meinem behandelnden Tierarzt durchgeführt.

Bisswunden

Die wohl häufigsten Verletzungen bei Schildkröten in Gefangenschaft sind Bissverletzungen durch Artgenossen, sofern man mehrere Tiere zusammen hält. Diese können durch falsche Gruppenkonstellationen (zu viele Männer) oder zu kleine, schlecht strukturierte Gehege (auch dominante Weibchen untereinander, oft in der Eiablagezeit) sein. Manchmal kommt es auch vor, dass sehr penetrante Männchen die weiblichen Tiere beim Paarungsritual unabsichtlich verletzen (Bisse in die Beine, um auf das Weibchen aufreiten zu können), was oft bei Testudo marginata aufgrund der Größenunterschiede zwischen den Geschlechtern vorkommt. In diesen Fällen sollte die Gruppenzusammensetzung optimiert bzw. die Tiere getrennt werden.


Weibliche Testudo marginata mit blutender Bissverletzung durch ein aggresives, paarungswilliges Männchen. Oft kommt es bei dieser Art vor, dass die Männchen ganze Schuppen aus den Vorderbeinen der Weibchen herausreißen.

Sollte es einmal vorkommen, dass eine Bisswunde stärker blutet so sollte, nachdem die Ursache behoben ist, das Tier umgehend erstversorgt werden. Hierzu wird zunächst die Blutung mit einem sterilen Tupfer oder Wattebausch gestillt, anschließend mit Wunddesinfektion ausgespült (tupfen oder sprühen) und danach mit einer jodhaltigen Salbe (z.B. Betaisodona) eingecremt. Die Wunde kann anschließend mit einem Wundverband geschützt werden, wenngleich dieser auch nicht sehr lange hält, dennoch den Wundverschluss in den nächsten Stunden begünstigt.
Sind die Verletzungen wie auf den neben gezeigten Bildern frisch und oberflächlich, so würde ich von einem Tierarztbesuch absehen, solange sich das Tier sonst normal verhält und regelmäßig nachcremen. Nach wenigen Tagen sollte die Wunde verheilt sein.

Erstversorgung des gleichen Weibchens nach einer Bisswunde. Der Verband schützt bis zum Wundverschluss vor Schmutz und verhindert ein Nachbluten.

Parasitenbefall

Wie bei allen Wildtieren und den meisten Haustieren finden sich  auch bei Landschildkröten diverse Mikroorganismen, welche teilweise als Symbionten wichtige Stoffwechselvorgänge ermöglichen (Verdauung von pflanzlichen Materialien), andererseits auch Parasitär von Ihrem Wirt leben. 

Hexamiten

Zur zweiten Gruppe zählen vor allem eine Reihe von Einzellern, welche speziell bei Stress bzw. geschwächtem Immunsystem vermehrt auftreten. Diese Geißeltierchen, als Hexamiten (Hexamita pava) bekannt, gehören zur Familie der Flagellaten und können unbehandelt den Tiere erhebliche Schäden zufügen.
Typische Symptome bei starkem Hexamitenbefall sind übelriechender, teilweise gelartiger Durchfall sowie häufigere Wasseraufnahme bedingt durch Dehydration. 
Bei unbehandeltem Befall können zudem die Nieren belastet und geschädigt werden, was wiederum zu einem chronischen Schmerzleiden des Tieres führen kann.

Zur Behandlung von Hexamiten wird i.d.R. der Wirkstoff Metronidazol verwendet. Dieser kann als Injektionslösung subcutan in die Bauchhöhle injiziert werden, oder dem Tier oral als Tabletten verabreicht werden. Zweiteres halte ich für wesentlich schonender, zumal man die Tabletten gut in süßem Obst verstecken kann bzw. bei kleineren Tieren zerbröselt übers Futter streuen kann (wobei man hier darauf achten muss, dass auch alles gefressen wird und ggf. nachdosieren muss).
Unterstützend hat sich bewährt die Tiere in der Zeit der Behandlung überwiegend trocken zu ernähren und für den Aufbau der Darmflora mit geeigneten Mitteln (z.B. BeneBac) zu substituieren. Diese können als Pulver oder Gel einfach übers Futter gegeben werden.

Wurmbefall

Weitere, wesentlich häufigere Parasiten bei Landschildkröten sind Würmer im Magen/Darmtrakt. Diese leben dort ohne Zwischenwirt und ernähren sich dort vom Nahrungsbrei der Tiere. Da sie keinen Zwischenwirt benötigen, vermehren sich die Würmer auch in der Schildkröte, sodass es immer und immer wieder zum Befall kommen kann. Wie oben bereits erwähnt hält sich die Parasitenbelastung bei gesunden Tieren die Waage, jedoch kann es bei unsachgemäßer Fütterung und/oder Stressbelastung zu einer überdurchschnittlichen Vermehrung kommen, wodurch das Tier ähnlich wie bei Flagellatenbefall durch den Parasit ausgelaugt und geschwächt wird. Oft sind die Würmer schon mit bloßem Auge im Kot der Schildkröten zu erkennen, vorallem Ascariden können teilweise die Größe von kleineren Regenwürmern erreichen. Oxyuren sind hier i.d.R. wesentlich kleiner und ähneln eher der Struktur von Pflanzenfasern.
Wird ein Befall festgestellt, so sollte umgehend mit entsprechenden Entwurmungsmitteln behandelt werden.
Klassiker sind hier das Medikament Panacur mit dem Wirkstoff Fenbendazol, alternativ kann auch Welpan (Febantel/Pyrantel im Verhältnis 3:1) verwendet werden. Die jeweilige Medikation erfolgt oral in Form von Tabletten, als Lösung oder auch als Gel, wobei letzteres schwieriger zu dosieren ist. Meiner Erfahrung nach wirkt eine Behandlung nachhaltig am besten, wenn man insgesamt 3x mit jeweils 7 Tagen Abstand entwurmt. Grund hierfür ist, dass durch die Wirkstoffe in den Wurmmitteln zwar die lebenden Würmer abgetötet werden, die Eier allerdings nicht, was zur Folge hat, dass nach der ersten Behandlung immer noch Würmer schlüpfen können, welche wiederum nach ca. 2 Wochen geschlechtsreif sind und erneut Eier legen.
Nach erfolgter Behandlung, wie auch prophylaktisch im Spätsommer, sollte man den Kot der Tiere in einem Labor untersuchen lassen, um eventuelle Parasiten nachzuweisen und ggf. zu behandeln. Besteht der Verdacht eines akuten Befalls natürlich auch früher. Geeignete Labore, welche Kotuntersuchungen anbieten, sind zum Beispiel das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) in Detmold unter der Leitung von Frau Dr. Blahak, welche sich als sehr Kompetent auf ihrem Gebiet beweist und ich nur wärmstens empfehlen kann (Link:
CVUA OWL  ).
Hier kann man im übrigen auch verstorbene Tiere obduzieren lassen, sowie virologische/bakteriologische Untersuchungen durchführen lassen (Herpes/Mykoplasmen etc.)

Von einer prophylaktischen Entwurmung rate ich übrigens dringend ab, es handelt sich bei den Medikamenten nicht um homöopatische Arzneimittel, sondern stark wirksame Stoffe, welche u.a. auch die Darmstruktur schädigen können und somit nur sachgemäß verwendet werden dürfen !  

Mykoplasmen

Unsere Europäischen Landschildkröten sind im Allgemeinen sehr robust und in unseren Breiten sehr gut im Freiland zu halten. Werden die Tiere artgerecht gehalten, wozu eine entsprechende Ernährung, Temperatur und UV-Versorgung, sowie ein entsprechendes Gehege mit geeigneter Struktur und angemessenem Besatz zählt, gibt es meiner Erfahrung nach fast nichts was ihnen zu schaffen machen kann.
Dennoch kommt es hin und wieder vor, das durch neue Tiere auch Krankheiten in einen Bestand eingeschleppt werden können, von welchen die Tiere bis dato nicht betroffen waren.
Hierzu zählen unter anderem eine Reihe von Einzellern, die sogenannten Mykoplasmen. Mykoplasmen sind zellwandlose Bakterien, welche in der Natur bei Landschildkröten sehr häufig zu finden sind (speziell bei afrikanischen Arten und Sternschildkröten). Als typische Stressindikatoren treten sie häufig nach Stresssituationen der Tiere auf (Transport, zu kleine Gehege, überfüllte Terrarien, zu feuchte/trockene Luft, Folgereaktion nach Parasitenbefall etc...). Oft werden Mykoplasmen durch Neuzugänge in einen Bestand eingeschleppt und über Speichel (Schmierinfektion) durch Futter oder Wasserschalen verbreitet. Bei neuinfizierten Tieren dauert es etwa 2-4 Wochen, bis die ersten Symptome auftreten. Je nach Art äußern diese sich als Schnupfen, meist wird durch die Nase ein klarer Schleim abgesondert, in Verbindung mit häufigem Niesen. Auch konnte ich beobachten, dass die Tiere sich die Augen reiben, sowie häufig den Kopf weit herausstrecken und wieder einziehen. Auch ein vermehrtes öffnen des Mauls konnte ich beobachten, was darauf zurückzuführen ist, dass die Tiere wohl nicht genügend Luft durch die verschnupfte Nase bekommen. Auch fällt es Ihnen oft schwerer ihr Futter zu erkennen, was an dem verminderten Geruchssinn liegen dürfte.

Tatsächlich konnte ich bei Testudo hermanni ssp. noch nie etwaiges Verhalten beobachten. Lediglich nordafrikanische Testudo graeca, sowie manche Exoten scheinen hier akut mit Symptomen zu reagieren. Um Mykoplasmen sicher nachzuweisen, gibt es verschiedene Methoden. Die sichersten sind hierbei die Untersuchung einer Blutprobe, sowie der Abstrich einer Nasenspülprobe (nur möglich bei akuten Symptomen).

Um Mykoplasmen zu behandeln, bedarf es nicht zwingend immer einer Medikation, sofern der Verlauf nicht zu akut ist und die Tiere sonst ein normales Verhalten an den Tag legen. Eine Inhalation mit Kochsalzlösung kann hier schon wahre wunder wirken, unterstützend mit Nasenspülungen aus einem aus Kochsalzlösung und Enrofloxacin (z.B. Baytril). Auch bewährt sich in manchen Fällen eine homöopatische Therapie, wie etwa von Frau Armine Fehr beschrieben (Link:
Alternative Behandlung von Mykoplasmen ).

Da es sich bei Mykoplasmen um eine Infektion der oberen Atemwege handelt, halte ich eine trockene Haltung, wie sie von einigen Haltern empfohlen wird, für ungeeignet und eher kontraproduktiv, begünstigen doch trockene Luft und staubiger Untergrund eher die Symptome. Besser sollte man während der Behandlung auf eine höhere Luftfeuchtigkeit, sowie wärmere Umgebungstemperaturen achten und die Tiere möglichst wenig stressen. Hierfür eignen sich Ultraschallvernebler, welche im Terrarium/Frühbeet eingebracht werden können.

Sollte sich trotz dieser Behandlungsmethoden die Symptomatik nicht verbessern/verschlechtern, muss mit einer Medikation begonnen werden, denn unbehandelt können Mykoplasmen zu schweren Organschäden oder Lungenentzündungen führen, was häufig den Tod der Tiere bedeutet.
Eine nach meiner Erfahrung geeignete Medikation erfolgt mit Marbofloxacin (Marbocyl), welches an fünf aufeinander folgenden Tagen subcutan oder intramusculär injiziert wird. 
Auch hat sich die Behandlung mit dem Medikament DRAXXIN (Wirkstoff: Tulathromycin) in der Praxis bewährt, wenn auch weniger gängig, da es ursprünglich zur Behandlung von Atemwegserkrankungen bei Schweinen und Rindern verwendet wird.

Natürlich sollte die medikamentöse Behandlung nur bei schweren Verläufen und auf anraten eines fachkundigen Reptilientierarztes erfolgen. Wie gesagt, ich schildere hier Erfahrungen meinerseits und möchte ausdrücklich erwähnen, dass dies keinerlei Behandlungsempfehlungen sind !


Herpes

Üblicherweise kommt das Beste bekanntlich zum Schluss, wobei ich mir in dieser Rubrik wohl eher das Schlimmste als letzten Absatz aufgehoben habe. Was für die Menschen im Mittelalter die Pest gewesen sein muss, ist für viele europäische Landschildkröten das Herpesvirus. Herpesviren sind nicht ohne Grund die gefürchtetste Virusinfektion bei vielen Schildkrötenhaltern, da sie Artübergreifend ganze Bestände binnen kürzester Zeit auslöschen kann. Ich selbst hatte das Pech (wobei es im Nachhinein eher Glück im Unglück war...) einmal eine Gruppe von Tieren zu übernehmen, welche mit dem Virus infiziert waren. Die Tiere lebten im Frühjahr und Sommer ohne jegliche Symptome oder Anzeichen einer Erkrankung, bis im Spätsommer das erste Tier anfing zu nießen und leicht schnupfte. Bei vom Zoll beschlagnahmten Graecas oder Tieren von osteuropäischen Zuchtfarmen ist man es gewohnt, dass diese leicht mit Schnupfen reagieren, wenn sie gestresst sind oder ihnen das Wetter nicht passt. Jedoch habe ich bei Testudo hermanni bis dato noch nie eine derartige Symptomatik erlebt, sodass ich etwas verwundert war, jedoch aufgrund des sehr schlechten Sommers auch eine leichte Erkältung durch kühle Zugluft oder extreme Feuchtigkeit in Betracht zog (die Tiere hatten ja nach dem langen Transport auch keine Symptome, trotz der erhöhten Stressbelastung). Wenige Tage später konnte ich bei dem selben Tier einen extremen Speichelfluss, sowie Schaumbildung aus der Nase und des Rachens feststellen, ebenso einen geschwollenen Hals. Das Tier stellte zudem die Nahrungsaufnahme vollständig ein und war sehr lethargisch, bis es schließlich tot im Gehege lag. Trotz einer sofortigen Trennung der restlichen Gruppe raffte der seuchenartige Verlauf innerhalb von 4 Wochen die gesamte Gruppe hin. Es ist nie schön zu sehen, wenn ein Tier stirbt, auch wenn das nunmal die Natur ist. Noch schlimmer ist es jedoch wenn man den Tieren dabei hilflos zusehen muss, wie sie von Tag zu Tag schwächer werden und langsam auf Ihren Tod warten.
 
Leider gibt es aktuell keine Medikamente gegen das Herpesvirus, sodass man bei einem Ausbruch hilflos ist und nur hoffen kann, dass das Tier überlebt und die Symptome abnehmen. Ein einmal infiziertes Tier ist (wie bei Mykoplasmen) lebenslänglich Träger und kann auch wenn es keine Symptome zeigt jederzeit andere Tiere anstecken und ist somit eine tickende Zeitbombe.

Leider reagieren nicht alle Arten gleich auf das Virus, sodass man es noch schwieriger feststellen kann. Auch ein mehrfach getestetes Tier (Blutprobe) kann trotz negativer Befunde den Virus in sich tragen, das dieser nur bei entsprechender Konzentration (Stressbelastung) nachweisbar ist. Testudo graeca ssp. scheinen auf das Virus wesentlicher weniger empfindlich zu reagieren als Testudo hermanni ssp., bei denen es in über 90% der Fälle zum sicheren Tod führt. Bei Testudo marginata ist es sogar so, dass man sich nicht mal sicher ist, ob die Tiere das Virus überhaupt bekommen könne, so schwer ist es nachweisbar. Tatsächlich ist mir kein Fall bekannt in dem eine Breitrandschildkröte je Symptome einer Herpesinfektion zeigte.

Präventiv empfehle ich wirklich jedem, der neue Tiere in eine bestehende Gruppe einführt, diese vorab auf Herpes und Mykoplasmen zu testen und eine entsprechend lange Quarantäne einzuhalten. Um Herpes im Blut nachzuweisen bedarf es zudem einer gewissen Stoffwechselrate, sodass ein Test frühestens Ende April/Anfang Mai und im Hochsommer durchgeführt werden sollte, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu liefern.

Weiterhin ist es durchaus sinnvoll, jedes Gehege mit einem separaten Paar Schuhen zu betreten und Einrichtungsgegenstände wie Futter -bzw. Wasserschalen stets im gleichen Gehege zu belassen und zur Reinigung jeweils eigene Bürsten zu benutzen. Sollte man ein Tier anfassen, ist es dringend anzuraten danach die Hände zu waschen und zu desinfizieren, bevor man ein Tier aus einem anderen Terrarium/Gehege anfasst, im Optimalfall trägt man dabei immer Einweghandschuhe.