Gehege
Eines möchte ich zum Thema Haltung von Schildkröten vorweg nehmen...
Oft wird in der Literatur von "natürlicher Haltung" gesprochen. Meiner Meinung nach gibt es diesen Begriff nicht, denn um ein Tier natürlich zu halten, bedarf es den exakten Gegebenheiten aus den Habitaten. Dass wir diese niemals 1:1 imitieren können, sollte jedem Halter klar sein. Sei es Lichtintensität, Luftfeuchtigkeit, Tages- bzw. Jahresrhythmus, Futter, Böden, Reviergröße, etc...
Unsere Absicht muss es sein die aufgezählten Parameter so gut es geht nachzuahmen, was Dank inzwischen sehr weit entwickelter technischer Hilfsmittel sehr gut funktioniert, wofür zunehmende Zuchterfolge speziell anspruchsvoller und heikler Pfleglinge sprechen.
Ich spreche in diesem Zusammenhang lieber von naturnaher Haltung, wenngleich die Bedeutung die selbe sein wird.
Die aber nur als kleine Pointe am Rande ... ;)
Gehegegröße
Die Frage, welche man sich stellen sollte, bevor man überhaupt über die Anschaffung von Schildkröten in Betracht zieht, ist die nach der Größe und Lage des entsprechendes Geheges.
Dabei ist es meiner Ansicht nach unwesentlich, ob es sich um eine mediterrane Art handelt oder ob es Schildkröten sind, welche sich nur für eine saisonale Freilandhaltung eignen.
Für die entsprechende Größe des Geheges gibt es sog. Mindestanforderungen, welche schon alleine von Gesetzeswegen nicht unterschritten werden dürfen (und keinesfalls sollten).
Mir ist nicht bekannt, dass jemals eine Schildkröte wegen einem zu großen Gehege zu Schaden gekommen ist. So ist es logisch, dass man den Tieren nicht nur so viel Platz wie nötig, sondern so viel wie möglich bieten sollte.
Speziell wenn man mehrere Tiere als Gruppe zusammen hält muss jedem Tier ein entsprechend großer Rückzugsort gewährleistet sein.
Die Lage des Geheges sollte so gewählt werden, dass möglichst lange möglichst viel Sonne zur Verfügung steht und die Tiere - besonders in den frühen Morgenstunden- die ersten Strahlen nutzen könne, um sich aufzuwärmen und Ihre Stoffwechseltemperatur zu erreichen. Diese liegt bei Europäischen Landschildkröten bei etwa um die 37°C, wobei die Tiere dafür keine Umgebungstemperatur in gleicher Höhe benötigen, hierzu in einem folgenden Pasus mehr...
Vorallem morgens und abends sieht man die Tiere häufig schräg an der Gehegemauer angelehnt, der auf- bzw. untergehenden Sonne im 90°-Winkel zugeneigt, um möglichst viel Licht zu absorbieren.
Optimalerweise sollte das Gehege nach Osten bzw. Süden ausgerichtet sein, wobei bei entsprechend großer Freifläche um das Gehege herum die Lage eher nebensächlich ist, da überall genügend Sonnenlicht die Tiere erreichen kann.
Männliche Testudo graeca marokkensis beim morgendlichen Sonnen. Hierbei lehnen die Tiere oft schräg an Mauern oder anderen Strukturen, um möglichst viel Sonne aufzunehmen.
Gehegestruktur
Mindestens genau so wichtig wie die richtige Größe der Gehege ist eine entsprechend naturnahe Strukturierung. Meiner Ansicht nach kann ein kleineres, gut strukturiertes Gehege wesentlich zweckmäßiger für die Haltung Europäischer Landschildkröten sein, als etwa ein großes, kahles Gehege, wie man es oft bei Zuchtfarmen findet. Zwar verbringen die Tiere den Großteil Ihres Lebens mit der Suche von Futter in Form von Wildkräutern, jedoch sind es keine Weidetiere wie etwa Kühe oder Schafe, die an das Leben auf offenen Flächen gewöhnt und angepasst sind. Schildkröten sind keine Fluchttiere, sodass sie bei androhender Gefahr durch Raubtiere, speziell von oben, keinerlei Möglichkeiten besitzen zu fliehen oder gar Gegenwehr zu leisten. Zwar dient ihnen der Panzer einen gewissen Schutz, jedoch nur bedingt und auch nur bei größeren Tieren. So ist es gerade bei Jungtieren und Schlüpflingen enorm wichtig das Gehege so zu gestallten, dass ein geeigneter Unterschlupf jederzeit in erreichbarer Nähe zu finden ist. Meine Erfahrung zeigt, dass vorallem Jungtiere sich selten weit weg von Ihrem Rückzugsort in freie Flächen begeben. Zu groß wäre die Gefahr, von einem Vogel entdeckt und geschnappt zu werden. Deshalb achte ich bei meinen Nachzuchten stets darauf, Futter und Trinkplätze unweit Ihrer bevorzugten Deckung aufzustellen, sowie Sonnenplätze stets entsprechend zu strukturieren.
Dass die Jungtiergehege durch Gitter geschützt werden, versteht sich von selbst.
Deckung ist das A und O für eine stressfreie Haltung. Hier eine weibliche Testudo hermanni boettgeri, die sich im Halbschatten aufwärmt.
Um die Gehege naturnah zu strukturieren und einen ansprechenden Lebensraum für die Schildkröten gestallten zu können, verwende ich Materialien, die denen im Habitat am nächsten kommen. Verschiedene Arten von Kalkschotter, Sand, Kies und Geröll, mediterrane Kräuter und Sukkulenten, Steine, Wurzeln und andere Gehölze können hierbei sehr ansehnlich zur Einrichtung verwendet werden. Zur Gehegeumrandung verwende ich übrigens handelsübliche Schalungssteine. Diese bieten meiner Meinung nach eine Reihe von Vorteilen:
- kostengünstiges Material
- witterungsbeständig über Jahrzehnte (Stein)
- einfach zu setzen und zu erweitern
- die Aussparung eignet sich gut, um z.B. Kabel darin zu verlegen oder einfach zum bepflanzen
- die Tiere nutzen sie gerne, um sich daran aufzuwärmen
Ebenso sind Pflanzsteine gut geeignet, jedoch etwas teurer und sperriger im Umfang.
Spezielle "Legehügel", wie sie von vielen Haltern für die Eiablage der Weibchen angelegt werden, findet man bei mir nicht. Nie konnte ich bei meinen Tieren beobachten, dass diese angenommen wurden. Die meisten Gelege werden im späten Frühjahr in den Frühbeeten vergraben, später dann am liebsten im Freiland neben Strukturen wie Steinen, Pflanzen, Mauern, etc...
Höhlen und Hindernisse aus Steinen oder Holz werden gerne als Versteck - oder Schlafplätze genutzt.
Frühbeete
Zweifellos ist es in der Schildkrötenhaltung nicht mehr wegzudenken - das Frühbeet oder Gewächshaus.
Ob als Schlafplatz, Rückzugsort für kalte Tage oder gar die Überwinterung - ein Unterschlupf aus Glas oder Kunststoffplatten gehört in jedes Schildkrötengehege.
Hierbei gibt es denke ich auch keine zwei Meinungen.
Bei der Art und Ausführung gibt es jedoch sicherlich unterschiedliche Ansichten, welches nun die beste Variante ist.
Meiner Meinung nach ist es von vielen Faktoren abhängig, welches nun das Beste für die jeweiligen Gegebenheiten ist.
Dies ist sicherlich auch von der Art abhängig, die darin leben soll.
Sehr gute Modelle, die speziell für die Haltung von Schildkröten entwickelt wurden, werden von www.soli-animals.de vertrieben.
Diese werden komplett aus Doppelstegplatten angefertigt, je nach Wunsch mit Alltop (Plexiglas - Acrylglas) oder herkömmlichen Platten aus Polycarbonat.
Wie sinnvoll die Verwendung von Alltop in der Haltung von Europäischen Landschildkröten ist, werde ich später auf der Unterseite BEDÜRFNISSE diskutieren.
Als ich vor ca. 7 Jahren mit der Haltung von Landschildkröten anfing, bestanden meine ersten selbstgebauten Frühbeete aus Siebdruckplatten. Diese waren 2m x 1m groß und ca. 70cm hoch, mit angeschrägtem Deckel aus einer 6mm Doppelstegplatte.
Diese habe ich teilweise heute noch in Gebrauch, wenn auch nur für Übergangstiere oder Quarantänegehege. Zu meinem erstaunen waren diese nicht nur sehr langlebig, sondern auch zweckdienlich. Ich erreichte am Morgen sehr schnell eine entsprechende Temperatur (das schwarze Holz heizt sich sehr schnell auf) und auch sonst war der Gebrauch durchaus angenehm, ein schnelles versetzen der Behausung war kein Problem und Holz ist denkbar einfach zu bearbeiten, seien es Verschraubungen für Lampen oder auch das Abtrennen eines teils als Überwinterungsmöglichkeit, zusätzlich gedämmt und armiert, alles sehr einfach umzusetzen.
Seit diesem Jahr (Frühjahr 2021) verwende ich anstelle der Siebdruckplatten für die Seitenwände Mauersteine aus Kalksandstein. Durch die dickeren Wände erhoffe ich mir in der Übergangszeit besser Wärmeisolation, sowie ein nicht übermäßig starkes aufheizen im Hochsommer, was bei den Holzfrühbeeten leider schnell der Fall ist. Ich überwintere die Tiere in den Frühbeeten, sodass auch hierbei der Mehrwert ganz klar bei den isolierten Steinwänden liegen sollte. Außerdem sind meine Dächer seit dem Umbau abgeflacht und bestehen nun aus 16mm Doppelstegplatten, wovon ich mir ein besseres Aufliegen des Deckels erhoffe. Wie gut und vor allem Energieeffizient das Ganze ist, werde ich spätestens im Frühjahr 2022 merken.
Frühbeet aus Stein, seit Frühjahr 2021 in Benutzung. Die Palisade vor dem Eingang dient als Schutz vor Zugluft und verhindert Wärmeverlust.
Gewächahaus
Sind die Frühbeete eher Rückzugsplätze für Europäische Landschildkröten, kann es bei Arten, welche ein wesentlich trockeneres, heißeres Klima gewöhnt sind, durchaus einen größeren Bedarf an Raum dieser Art geben. Für meine Nordafrikanischen Landschildkröten (Testudo graeca ssp.) bin ich daher seit kurzer Zeit zu einem 4m x 2m großen Gewächshaus übergegangen. Dieses bietet im Hinblick auf seine Größe diverse Vorteile im Vergleich zu den Frühbeeten, wie beispielsweise die Begehbarkeit, um etwaige regelmäßige Arbeiten darin zu verrichten. Im Gegensatz zu meinen Frühbeeten besteht mein Gewächshaus komplett aus Doppelstegplatten, um eine schnelle, intensivere Erwärmung zu generieren. Das Dach besteht hierbei aus Alltop, da speziell Testudo graeca graeca bzw. marokkensis wesentlich Licht- und UV-bedürftiger ist als beispielsweise Testudo hermanni, bzw. diese auch an Schlechtwettertagen das Freiland aufsuchen, was Testudo graeca verwehrt bleibt (höhere Empfindlichkeit gegenüber Schnupfen). Ein weiterer schöner Nebeneffekt ist, dass ich auch größer werdende mediterrane Pflanzen ins Gewächshaus einbringen kann, wie z.B. Oliven- und Zitronenbäume. Beheizt wird das Ganze mit einer Gewächshausheizung oder einem Heizpanel, allerdings ist dies lediglich in der Übergangszeit an trüben Tagen notwendig.
Ein naturnahes Gehege darf gerne "verwildert" aussehen. Wenn man die Tiere nicht sofort findet, sondern erst suchen muss, fühlen sie sich am wohlsten.